Der Weg der Digitalisierung oder besser der digitalen Transformation ist gepflastert mit vielen Unbekannten und auch Stolpersteinen. Neben vermeintlich offensichtlichen Themen gibt es auch einige weniger offensichtliche.
Digitalisierung oder besser die digitale Transformation ist ein fortwährender Veränderungsprozess, der unsere Geschäftswelt, die Wirtschaft und ganz allgemein auch unsere Gesellschaft betrifft. Ausgelöst durch digitale Technologien, die sich rasant und exponentiell weiter entwickeln mit Rechenleistung, Miniaturisierung, Konnektivität und verschwindenden Latenzzeiten haben neue Produkte und Dienstleistungen hervorgebracht, aber auch bestehende abgelöst. Die neuen Möglichkeiten haben unser Kommunikations- und Informationsverhalten nachhaltig verändert, bringen aber auch neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsstrukturen hervor. Und ja, die Entwicklung dauert an und ist auch nicht aufzuhalten. «Es passiert halt einfach»
In vielen Fachartikeln und Studien steht zu lesen, dass vor allem folgende Themen die Digitalisierung be- bzw. verhindern:
Zeitbedarf
(Foto von Andrey Grushnikov von Pexels)
- Es gibt nur wenige, meist grössere Unternehmen, die sich dem Thema Digitalisierung strukturiert widmen und sich dafür Zeit nehmen. In den meisten Unternehmen, vor allem KMU’s, frisst das Operative alles an Zeit weg, was verfügbar ist. Und falls wirklich noch etwas Zeit bleibt, dann gibt es da ja noch den KVP und punktuelle Optimierungsmassnahmen. Aber: «Wieviel Zeit wendet man eigentlich für strategische Themen auf?»
Knowhow auf Führungs- / Mitarbeiterebene
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- Vielleicht denkt man dabei zu aller erst an das fehlende technische Knowhow über digitale Lösungen, IoT, Cloud, Big Data etc. ja das braucht es. Aber wie steht es denn mit dem methodischen Knowhow? Auch hier gibt es Methoden, die eine hohe Korrelation zur Digitalisierung aufweisen, wie zum Beispiel das Design Thinking Framework, ja auch dieses Knowhow ist wichtig. Aber oft fehlt es auch an ganz fundamentalem Basiswissen wie dem Strategischen-Management. Denn, nebst Technik und Methoden geht es vor allem darum, die Zukunft des Unternehmens zu sichern, und das ist und bleibt nun mal Strategiearbeit.
Kosten
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- Digitalisierung ist kein Projekt, sondern ein kollaborativer Kraftakt der gesamten Organisation, denn sie umschliesst alle Bereiche der Organisation. Damit wird klar, dass dazu viel Zeit intern aufgewendet werden muss. Aber auch externe Kosten wie Mitarbeiter-Schulungen, Investitionen in Technologien und Lösungen, oder aber auch in Coaching und Beratung für punktuelle Unterstützung.
Ein Unternehmen tut gut daran, sich für die Digitalisierung ein nicht unerheblicher Teil des EBIT zur Verfügung zu stellen, denn Digitalisierung bedeutet Investition, Investition in die Zukunftssicherung der eigenen Organisation.
Und ja, vielleicht sei an dieser Stelle auch folgende Frage erlaubt: «Was kostet es nichts zu tun?»
Neben den o.g. «hard factors» kommt es auch auf die inneren Werte des Unternehmens wie Awareness, Organisation und Kultur an:
Diskussion in der Unternehmung was Digitalisierung für das Unternehmen bedeutet
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- Bei der Digitalisierung geht es um eine Transformation, also eine Veränderung von einem IST zu einen neuen SOLL Zustand. Aber oftmals sind zu Beginn des Digitalisierungsweg nur wage, verschwommene Zielbilder vorhanden – vielleicht auch nur ein «wir wollen etwas tun».
Es gilt deshalb primär ein gemeinsames Verständnis über die Notwendigkeit zu schaffen.- Einerseits soll man sich unbedingt die Fragen nach Risiken stellen, also «Wie sieht unsere Zukunft aus, wenn wir nichts machen.» Hieraus wird der externe Druck erkennbar was ein extrinsisch motivierter Treiber sein wird.
- Aber auch die Fragen nach neuen Möglichkeiten und Chancen sind zu erörtern – also «Was könnte besser werden, wenn wir uns verändern?» Eine lukrative Zukunft, für die Organisation und auch für die Mitarbeitenden, wird den Ehrgeiz, die Risiko- und die Veränderungsbereitschaft fördern und so zu einem intrinsisch motivierten Treiber werden.
- Damit schafft man Awareness, gleichzeitig werden die diffusen Zielbilder ergänzt, klarer und der Fokus geschärft. Dieser Outcome ist sehr hilfreich für die Digitalstrategie und der Entwicklung der digitalen Vision.
- Es reicht aber nicht, nur zu Beginn des Digitalisierungs-Weges ein paar interne Workshops darüber zu halten. Nein, denn die Diskussion über das WARUM muss während dem ganzen Transformationsprozess sinngebend aufrecht erhalten werden. Vor allem dann, wenn sich Wege als nicht Zielführend herausstellen.
Legacy Strukturen wie Organisation, Systemwelt & Software-Landschaft
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- Digitalisierung fokussiert die Kundenzentrierung also das Kunden-Erlebnis & -Nutzen was durch End2End Prozesse gebildet wird. Entlang des End2End Prozesses findet sowohl die Customer Journey als auch die vernetzte Wertschöpfung statt. Traditioneller Weise sind Organisationen aber vertikal in Abteilungen organisiert, und oft bricht die Customer Journey an den «Übergabepunkten» zwischen den Abteilungen. Abteilungen, kümmern sich in der Regel nur um den Teilaspekt ihrer Wertschöpfung und der Kundeninteraktion. Man fokussiert sich auf die Optimierung der Teilprozesse mit dem Ziel einer höheren, internen Effizienz oft unter Missachtung von Schnittstellen zu vor- bzw. angelagerten Prozessen und - leider - in den wenigsten Fällen mit dem Fokus auf Kundenmehrwert. Die lokale Optimierung führt oft auch zu einer heterogenen System- und Softwarelandschaft, mit Systembrüchen, redundanter Datenhaltung & -Wartung. Was für den eigenen Bereich vielleicht lukrativ aussieht, bedeutet gesamtheitlich betrachtet Mehraufwand im operativen Datenmanagement, der System- und Softwarewartung und den Anstrengungen bezüglich der Informations- und Cybersicherheit.
Es geht aber primär auch darum, eine End2End Prozessverantwortung zu definieren welche sich sowohl auf die Kundenzentrierung und auf eine durchgängige Customer Journey mit durchgängigen Prozessen fokussiert welcher Mehrwert für den Kunden und der eigenen Wertschöpfungskette generiert.
Legacy Kultur: «Das haben wir schon immer so gemacht»
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- Der Umgang mit Veränderungen stellt eine der grössten Herausforderung der Digitalisierung dar. Widerstände und Hindernisse können offen oder auch verdeckt auftreten. Zu den offensichtlichen Hindernissen gehören nicht optimale Strukturen, ineffiziente Prozesse und ungenügende technische Voraussetzungen. Diese können in der Regel relativ gut aus dem Weg geräumt werden.
Heikler und oft auch weniger offensichtlich sind Widerstände seitens der Mitarbeitenden. Diese Widerstände können vielschichtig sein, und die effektiven Gründe liegen oft im Verborgenen und sind nicht immer im Unwillen der eigenen Veränderung begründet. So können solche Widerstände auch wertvolle Hinweise auf etwas Bewahrenswertes enthalten. Deshalb ist es wichtig diese Widerstände ernst zu nehmen und zu ergründen. Im Anschluss daran können Massnahmen getroffen werden, um diesen Widerständen aktiv zu begegnen und Skeptiker - in verhalten Positive - oder - sogar zu Befürworter zu machen.
Fakt ist und bleibt aber, ohne Veränderungen wird keine Transformation stattfinden. Und obwohl der Umgang mit Hindernissen und Widerständen wichtig ist, ist es auch von grosser Wichtigkeit diese mit Entschiedenheit aus dem Weg zu räumen.
Erfolgreiches Business: Erfolg verhindert Veränderung und Innovation
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- Warum etwas verändern, wenn es gerade so gut läuft «alle wichtigen KPI’s sind im grünen Bereich!».
Anbetracht dieser Situation werden Frage wie «Wie lange noch?» oder «Womit verdienen wir morgen unser Geld?» als ketzerisch eingestuft. Doch genau diese beiden Fragen treffen den Kern! Unsere Umwelt verändert sich nicht nur rasant, sondern auch immer schneller und oft auch disruptiver. Bedürfnisse von Kunden und Unternehmen ändern, es entstehen neue Bedürfnisse und andere fallen einfach weg. Sodann wird klar, dass man sich im Sinne der Zukunftssicherung durchaus die Frage «Womit verdienen wir in Zukunft unser Geld» stellen muss. Und vielleicht schadet es auch nicht, sich die Frage zu stellen «Warum sind wir aktuell eigentlich erfolgreich?», denn Zukunft hat immer auch Herkunft.
Es ist ungemein wichtig zu verstehen, dass Stillstand im unternehmerischen Kontext immer Rückschritt bedeutet. Ein sich nicht veränderndes Unternehmen wird durch seine Konkurrenten und die Veränderung der Umwelt innert kürzester Zeit überholt oder sogar in der Existenz bedroht.
Fehlender Mut zur Exploration: «Lass es uns mal probieren»
(Foto von Andrey Grushnikov von Pexels)
- Komplizierte Systeme zeichnen sich durch definierte Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Elementen aus. Ein solches System ist beschreibbar und alle Zusammenhänge darin sind kausaler Natur. Ursache-Wirkung können vorhergesehen werden und sind von Organisationen und Führungskräften beherrschbar. Komplizierte Probleme lassen sich mit traditionellen, Tayloristischen Methoden lösen: «Wir planen alles und führen diesen Plan dann aus.»
Komplexe Systeme zeichnen sich durch sich verändernde Ursache-Wirkung Wechselwirkungen zwischen den Elementen aus. Sie zeigen emergentes Verhalten, bilden Muster und löst diese wieder auf und passen sich äusseren Einflüssen an. Ein solches System lässt sich nur unvollständig analysieren oder beschreiben. Unsere digitale VUCA Welt ist ein komplexes System, in welchem wir lernen müssen, durch das Nicht-Lineare, Ergebnisoffene und Unvorhersehbare zu navigieren. Einerseits wird klar, dass der Schlüssel zum Erfolg nicht bei einem einzelnen, zentralen «Super-Hirn» liegt, sondern ganz verschiedene Kompetenzen einer Organisation in einer kollektiven Zusammenarbeit erfordert.
Andererseits heisst es, dass man mit Experimenten herausfinden muss, wie das System reagiert und auf was es anspricht. Hier bieten Agile Methoden Ansätze: «Wir planen den nächsten Schritt, führen diesen aus, evaluieren das Ergebnis und planen auf diesem den nächsten Schritt». Lösungen entstehen so in kleinen, schnellen Schritten welche die Veränderungen dazwischen wahrnehmend und adaptieren können.
Fehlen einer offenen Fehlerkultur: Fehler nicht anprangern, sondern nutzen, um daraus zu lernen
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- Unsere Kultur ist geprägt von ganz vielen Werten, und eine Werthaltung ist die, dass man sich keine Fehler erlauben darf und dass Fehler schlecht sind. Fehler zu machen, geht gar nicht und womöglich zugeben ist tabu. In vielen Unternehmen ist den die Angst vor Fehlern weit verbreitet und deshalb fristen Mut und Eigeninitiative ein kümmerliches Dasein.
Komplexe Probleme lassen sich nur durch Exploration lösen – mit Experimenten, die auch scheitern können. Das heisst, man muss in der Organisation eine offene und positive Fehlerkultur etablieren. Ein Umfeld welches auch unkonventionelle Ideen und sogar Misserfolge zulässt. Eine positive Fehlerkultur muss den Mitarbeitenden die Sicherheit vermitteln, dass sie durch Fehler weder ihren Job noch das Ansehen verlieren. Eine positive und offene Fehlerkultur muss sich dadurch manifestieren, dass es gut ist, Fehler zuzugeben, offen zu diskutieren - damit die Organisation - nicht nur der einzelne (!) daraus lernen kann. Und schliesslich verhindert man damit den weiteren Einsatz von Ressourcen in gescheiterte Vorhaben.
Fazit
Es reicht somit nicht nur eine Digitalstrategie mit einer digitalen Vision zu entwickeln. Es geht auch darum, Awareness und Commitment zu schaffen und um einen strukturellen und kulturellen Change.